Sophie Thun erforscht die Bedingungen der fotografischen Abbildung. Sie agiert in den Handlungsräumen der Fotografie, um die Konstruktion von Bildern und von Identität sichtbar zu machen. Dabei hinterfragt sie Geschlechterzuschreibungen ebenso wie strukturelle Abhängigkeiten, denen sie als Künstlerin unterliegt. Selbstbewusst und experimentierfreudig setzt sie dem klassischen Bild der Frau als Muse und Modell ein künstlerisches Werk entgegen, das traditionelle Blickregimes hinterfragt und bestehende Machtstrukturen aufbricht.

Die Bilder von Sophie Thun entstehen ausschließlich mithilfe analoger Technik – mit Großformatkamera, Negativblättern und in der Dunkelkammer. Die Künstlerin führt den gesamten fotografischen Prozess selbst aus. Sie ist Motiv, Regisseurin, Fotografin und Produzentin ihres künstlerischen Werks. Dies ermöglicht ihr, jeden einzelnen Schritt der Bildentstehung zu kontrollieren. Versiert kombiniert Thun Kameraaufnahmen mit dem Verfahren des Fotogramms, bei dem das Fotografierte ohne Einsatz einer Optik durch eine Direktbelichtung auf dem Fotopapier seine Spur hinterlässt. Diese Verschränkung der Techniken erzeugt verschachtelte Aufnahmen, in denen verschiedene Zeit- und Realitäts- ebenen spannungsreich miteinander in Beziehung treten. Orientierung gibt eine selbst aufgestellte Regel der Künstlerin: In jedem Bild ist ein Element – ihr eigenes Abbild, ein fotografiertes Objekt, ein Negativblatt oder die Hand der Künstlerin im Verhältnis 1:1, also in Lebensgröße zu sehen.

Die Ausstellung im Kunstverein Hildesheim, die in Kooperation mit dem Institut für Bildende Kunst und Kunstwissenschaft der Universität Hildesheim entstanden ist, vereint vier Werkgruppen, die die künstlerische Entwicklung von Sophie Thun nachzeichnen – vom Fokus auf den eigenen Körper, hin zu dessen schattenhafter Präsenz und seinem Verschwinden als Bildgegenstand. Für Double Release und After Hours bringt Sophie Thun den eigenen Körper für ihre künstlerischen Interessen ins Spiel. Orte der Produktion umfasst Aufnahmen von Laboren, Archiven und Ausstellungsräumen die Grund- lage ihrer Arbeiten sind. Mit Entering the Elusive Estate of ZDZ wendet sich Thun schließlich den  Produktionsbedingungen und der Sichtbarkeit eines fremden fotografischen Werks zu.

kuratiert von Christin Müller und Torsten Scheid.