Arbeiten am Bild
Modelle sind Werkzeuge der Analyse und Erkenntnis. In den Künsten und Wissenschaften dienen sie als Experimentierfeld, um Formen, Farben, Theorien oder Ereignisse zueinander ins Verhältnis zu setzen. Ihr Bezug zur Wirklichkeit ist spannungsreich; sie vereinfachen komplexe Zusammenhänge, verkörpern Ideen und Ideologien, haben Auswirkungen auf unser Denken und Handeln.
In Adrian Sauers Arbeit Modell ist der Bezug zur Wirklichkeit verrätselt, obwohl das verwendete Material zuzuordnen und eine Bildstruktur erkennbar sind. Der Künstler versammelt zwei Werkstoffe in drei Zuständen: Bild eins wirkt aufgeräumt. Beige MDF-Platten wurden zu Kuben gestapelt. Weitere befinden sich schräg zueinander platziert in der Bildmitte oder stehen aufrecht. Im Hintergrund lugt links ein weiß leuchtendes Styroporstück hervor. In Bild zwei herrscht ein Durcheinander. Die Konstruktionen sind in sich zusammengefallen. Alle Platten liegen lose verstreut zu- und aufeinander. Links wird mehr Styropor sichtbar. Bild drei zeigt eine neue, avantgardistische Form der Ordnung, bei der keine abgeschlossenen Körper entstanden sind, sondern offene Gebilde. Die weißen Styroporteile sind in das Zentrum gerückt.
Mit dem Titel Modell provoziert Adrian Sauer nicht nur die Frage nach Sinn und Zweck dieser Anordnungen, sondern hinterfragt auch die Tragweite des Begriffs Modell selbst. Er öffnet einen Raum zur Spekulation, in dem uns bekannte visuelle Modelle bei der Orientierung helfen. Die Bilder könnten etwa modellhaft Architekturentwürfe für die Bebauung eines Platzes darstellen genauso wie Tests zu Materialeigenschaften eines Herstellers, künstlerische Studien zu Form-, Farb- und Helligkeitsverhältnissen oder auch den Nachvollzug eines Erdbebens oder einer Explosion. Genauso vieldeutig wie der Inhalt ist der Zeithorizont. Die Nummerierung legt eine Abfolge nahe. Es fehlen jedoch Spuren, die Vergangenes repräsentieren oder auf eine Deutung in der Zukunft hinweisen. Die Oberflächen des abgebildeten Materials erzeugen keinen Widerstand. Sie sind so glatt und unversehrt, dass der Blick leicht daran abrutscht und uns auf unsere Spekulationen zurückwirft.
Bei genauerer Betrachtung der Abbildungsform wird unsere Wahrnehmung nochmals herausgefordert. Die Bilder basieren auf fotografischen Aufnahmen, in denen Adrian Sauer alle optisch aufgenommenen Farben mit Hilfe des Programms Photoshop durch berechnete äquivalente Farben ersetzt hat. Farbfläche für Farbfläche, manchmal Pixel für Pixel. Diese Reduktion der Bildbearbeitung auf einen Bearbeitungsschritt erzeugt ein Paradox: Die ursprünglichen Fotografien sind verschwunden und dennoch vollständig sichtbar. Das stellt uns vor die Fragen, ab welchem Moment sich ein fotografisch erzeugtes Bild vom Medium Fotografie löst und ab welchem Grad der Abstraktion die Funktionalität eines Modells nicht mehr greift.